Auf einer Vodafone-Veranstaltung am 4. Dezember hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die bevorzugte Behandlung bestimmter Dienstanbieter im Internet ausgesprochen und sich damit vom Prinzip der Netzneutralität abgewandt. Als Begründung führte sie zukünftige neue Dienste wie Telemedizin oder selbstfahrende Autos an. Bereits auf dem IT-Gipfel im Oktober ließ Merkel verlauten, dass die Gleichbehandlung aller Daten im Netz nachrangig gegenüber dem Breitbandausbau sei.

Hierzu nimmt Stefan Körner, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, wie folgt Stellung:

»Nur die gleichberechtigte Übertragung der Daten unabhängig von Absender und Inhalt hat das Internet zu dem gemacht, was es heute ist: Infrastruktur und elementarer Teil unserer weltweiten Gesellschaft. Wenn Merkel jetzt der Lobby der mächtigen Player im Netz nach dem Mund redet und die Netzneutralität in Frage stellt, zeigt sich einmal mehr, wie gefährlich eine von Lobbyisten getriebene, ahnungslose Regierung für unsere wichtigen Systeme ist.

Ohne eine garantierte Netzneutralität wird es keine Startups mehr geben, die mit neuen Ideen einen wirklichen Mehrwert des Netzes für uns Benutzer schaffen. Stattdessen werden sich die Konzerne durchsetzen, die bereits jetzt genug mit unseren Daten verdienen, um
sich den bevorzugten Transport ihrer Inhalte zu kaufen.

Auf jeden Fall wissen wir jetzt, dass sich unsere Befürchtungen, die Bundesregierung könnte die schwammigen Formulierungen zur Netzneutralität im Koalitionsvertrag und in der ›Digitalen Agenda‹ zugunsten der großen Telekommunikationsanbieter auslegen, bewahrheiten.

Sogar US-Präsident Barack Obama hat sich kürzlich nachdrücklich für die Netzneutralität ausgesprochen. Gegebenenfalls hört Frau Merkel mal nicht nur in Sachen Geheimdienstspionage sondern auch in Sachen zukunftsfähiges Internet auf ihren Busenfreund.

Derzeit berät der EU-Ministerrat über seine Haltung zur Netzneutralität. Wir müssen gerade in diesen Tagen die Augen aufhalten. Was wir seit spätestens gestern wissen: Deutschland wird wieder einmal nicht als Modernisierer auftreten. Die ›Digitale Agenda‹ der
Bundesregierung erweist sich ein weiteres Mal als Mittel zur Manifestierung bestehender Machtverhältnisse und nicht als ein visionäres Zukunftsprojekt.«