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Musikpiraten – der Kampf um ein Kulturgut

Die GEMA ist momentan im Internet eines der immer wiederkehrenden Gesprächsthemen, auch und gerade in Hamburg. Fürchtete man aufgrund der neuen Gebührenordnung die Schließung vieler Musiklokale gerade in St. Pauli, scheint diese Gefahr zunächst abgewendet: Die anhaltenden Proteste führten zur einstweiligen Aussetzung der Neuerungen.

Doch kaum scheint diese Gefahr zumindest vorübergehend gebannt, droht neues Ungemach: Die beliebte Space Night des Bayerischen Rundfunks sollte eingestellt werden, da die Forderungen der GEMA sich jährlich nun im niedrigen siebenstelligen Bereich bewegen. Das erscheint recht viel für spacige Ambient-Musik. Ist es auch. Der Proteststurm der Fans zeigte erste Wirkung: Das Konzept wird überarbeitet.

Gegen die Gier der GEMA – kostenloser Musikgenuss
Auch wenn die GEMA sich nicht vorstellen kann, dass irgendwer, der irgendwelche Musik komponiert, vertont, produziert oder betextet, sich nicht von ihr vertreten lässt: Es gibt sie, die Idealisten, die genau dies tun: bewusst ihre Werke gebührenfrei der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Oder auch die Unzufriedenen, die ihre Interessen nicht mehr adäquat vertreten fühlen. Und es gibt einen Verein, der sich der Verbreitung eben dieses Modells exklusiv widmet: die Musikpiraten.

Die Musikpiraten – wer sind sie, was tun sie?
musik.kzae_4Die Musikpiraten wurden 2009 von Mitgliedern der Piratenpartei und Musikschaffenden gegründet, um der angeblichen Allmacht der GEMA ein neues, zeitgemäßes Konzept entgegenzusetzen. Sie widmen sich unter dem Vorsitz von Christian Hufgard der Verbreitung dieser Idee, aber das ist nicht alles: Der Verein gibt eigene Sampler mit freier Musik heraus (und führt Musterprozesse, da die GEMA dies in der Form nicht akzeptieren will). Außerdem gelang ihnen im Jahr 2010 ein Coup, der den Verein mit einem Schlag bekanntmachte: Er gab zwei Liederbücher heraus, die Kitas und Kindergärten kostenlose, d. h. gemeinfreie Kinderlieder in gedruckter Form und zum Download zur Verfügung stellte.

Kinder wollen singen – wenn man sie lässt
Der Hintergrund für die Aktion Kinder wollen singen war ein Schreiben der GEMA an alle Kindergärten in Deutschland, nach dem das Kopieren bereits angeschaffter und bezahlter Liederbücher in Zukunft mit Extragebühren belegt werden und außerdem über das real abgesungene Liedgut Buch führen sollte. Dies führte zu Konflikten, da jeder, der eine Fotokopie anfertigt oder ein Speichermedium anschafft, ohnehin durch eine Gebührenpauschale bereits für Privatkopien bezahlt – sie ist im Preis der Kopie, des Mediums oder des Vervielfältigungsapparats bereits inbegriffen. Niemand konnte und wollte einsehen, dass das Kopieren der Druckwerke nicht unter den Begriff Privatkopie fallen sollte, vor allem, da sich der Gesang von Kindergartenkindern auch beim besten Willen nicht kommerzialisieren lässt. Der GEMA war das ebenso gleichgültig wie das Grundbedürfnis von Kindern, sich musikalisch und eben auch in der tonalen Variante auszudrücken. Auch der unbestrittene Wert des Musizierens für Kinder spielte bei dieser bürokratischen Maßnahme zur Gewinnmaximierung keine Rolle.

Die Musikpiraten reagierten und brachten zwei Liederbücher heraus, mit Weihnachts- und sonstigen kindgerechten Liedern. Die Aktion wurde durch Spenden unterstützt, sodass über 54000 Liederbücher gedruckt und kostenlos an Kitas und Kindergärten verteilt werden konnten. Zur Beliebtheit der GEMA trug diese Affäre nicht bei, zu der der Musikpiraten schon. Die Liederbücher sind bei dem Verein als Download erhältich. Ergänzt wird das Angebot durch eine Download-Angebot, auf der die Lieder instrumental zu hören sind.

Sonstige Aktivitäten des Vereins
Der Verein widmet sich auch mit anderen Aktionen der Verbreitung von creative-commons-lizensierter Musikangebote. So initiierte er das Festival Free! Music! Contest! und bringt entsprechende Sampler heraus. Außerdem bewirbt er offensiv einzelne Künstler und ihre Werke und macht so die Idee der kostenlos erhältlichen Musik bekannt.

Vom Nischenprodukt zur attraktiven Alternative
ccGEMA sei dank bewegt sich creative-commons-lizensierte Musik aus ihrer  Nische für Fans und Eingeweihte heraus und wird langsam zum massentauglichen Produkt. Durch die rigide Gebührenpolitik der GEMA wenden sich zunehmend Veranstalter, aber auch Musikschaffende, von dieser nicht mehr als zeitgemäß empfundenen Form der Vermarktung ab. Namhafte Künstler wie George Michael, der bereits 2004 ankündigte, seine Musik nur noch kostenlos zur Verfügung stellen zu wollen, wenden sich von den traditionellen Vertriebswegen ebenso ab wie Trent Reznor (Nine Inch Nails) bot ein Album gegen freiwillige Zahlung an (war jedoch enttäuscht über die geringe Anzahl der Hörer, die tatsächlich einen Beitrag für sein Werk entrichteten. Andere wie Radiohead lassen ihre Hörer den Preis für ihre Produkte selbst bestimmen, oder vermarkten ihre Musik im Internet selbst – kostenlose Teaser-Songs inklusive. Sogar Dieter Bohlen äußerte Verständnis  für Leute, die Musik zum privaten Gebrauch herunterladen oder tauschen.

Creative Commons – die Rettung für Straßenfeste und andere Veranstaltungen?
Wir sind noch weit davon entfernt, dass creative-commons-lizensierte Musik Clubs oder Konzertsäle füllen kann. Aber wenn die GEMA ihre rigide Politik fortführt, könnte dies die Zukunft sein. Heute schon ist gebührenfrei genießbare Musik eine gangbare Alternative für Straßenfeste und ähnliche Veranstaltungen, deren Budget durch die GEMA und ihre neue Gebührenordung gesprengt wird. Auch für die Space Night könnte CC-Musik die Rettung sein.

Die Entwicklung ist vorgezeichnet: Entweder die GEMA bewegt sich auf ihre Zwangskundschaft zu, oder sie ereilt dasselbe Schicksal wie alle anderen Dinosaurier – der Tod mangels Alltagstauglichkeit.

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