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Piratenpartei klagt gegen die 3%-Hürde für Europa

Ein Kommentar von Eleonore Chowdry und Bernd Schlömer

Die Piratenpartei hat als größte der kleinen Parteien nach der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten Organklage gegen die 3%-Hürde des Europawahlgesetzes eingelegt.

Denken Sie einmal an ein großes Bundesland, z.B. Bayern. Stellen Sie sich dann vor, die Stimmen der Menschen in diesem Bundesland würde bei der nächsten Wahl verschwinden. Das geht nicht? Das wäre doch unfair und undemokratisch, einfach 15% der Menschen die Wahl vorzuenthalten? Kein Problem, bei der Bundestagswahl vor ein paar Wochen wurden 15,7% der Stimmen einfach unter den Teppich gekehrt. Bei der letzten Europawahl waren es bereits über 10%. Grund dafür ist die sog. “Sperrklausel”.

Mit dieser Hürde sollte einst die Parlamentszersplitterung verhindert werden. Denn mit mehreren Parteien unter 5% im Parlament würde die Regierungsbildung schwierig. Sehr ironisch inmitten der in diesen Tagen stattfindenden Verhandlungen, die es nur wegen der Sperrklausel gibt.

Vor kurzem hat das Bundesverfassungsgericht die 5% Hürde im EU-Parlament für verfassungswidrig erklärt, denn es gibt keine schlagkräftigen Argumente dafür, aber viele solcher Argumente dagegen. Im Juni haben sich Grüne, CDU, FDP und SPD zusammengesetzt und getreu dem Motto 3 ist ungleich 5 eine 3% Hürde für das EU-Parlament auf den Weg gebracht.

Letzte Woche hat der Bundespräsident dieses Gesetz nun unterschrieben. Normalerweise dauert es ein paar Wochen, bis der Präsident festgestellt hat, ob ein Gesetz “offenkundig” verfassungswidrig ist – nur so weit reicht nach der überwiegenden Ansicht in der Wissenschaft seine Prüfungskompetenz. Hier hat er sich mehrere Monate Zeit genommen! Woran mag das liegen? Wollte er nur auf Nummer Sicher gehen, weil sich in diesem Fall eine ganze Gruppe Hochschullehrer an den Präsidenten gerichtet hat mit der Bitte das Gesetz wegen seiner Verfassungwidrigkeit nicht zu unterschreiben? Oder hatte er vielleicht selbst Bedenken, weil die Argumente des Gerichts bei seiner letzten Entscheidung doch einleuchtend waren? Oder sollte das Thema vor dem Wahlkampf nicht noch einmal in Erscheinung treten, sodass es schlicht vergessen wurde?

Ob Wahlkampfstrategie, Unsicherheit oder Bedenken, bis zur Wahl ist nur noch ein gutes halbes Jahr Zeit. Die mündliche Verhandlung soll jetzt erst stattfinden, so dass weitere zwei Monate der Unsicherheit vergehen. Erst anschließend entscheidet das Gericht darüber, ob eine Sperrklausel für die Europawahl am 25.5.2014 gilt. Es bleiben – falls das Gericht einen Spurt einlegt und eine Entscheidung trifft, bei der der Gesetzgeber nicht mehr tätig werden muss – noch ca. 150 Tage bis zur Wahl. In der Anhörung zum Gesetztesentwurf waren wie üblich ausschließlich Kritiker der Verfassungsgerichtsentscheidung und Befürworter der Sperrklausel geladen. Es ging erstaunlicherweise gar nicht mehr darum, “ob” das neue Gesetz vom Verfassungsgericht überprüft würde, sondern nur um die Frage, “wie” dies geschehen könnte. Aber auf einen wichtigen Aspekt hat ein renommierter Europarechtsprofessor dennoch hingewiesen:

Die Europäische Menschenrechtskommission fordert ca. ein Jahr vor dem Wahlakt Klarheit über das Wahlsystem – das schafft der Gesetzgeber jetzt nur noch – mit der Erfindung einer Zeitmaschine.