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„Bürgerwillen verbindlich machen“ – zum Bürgerentscheid in Altona

Anlässlich des Bürgerentscheids „Bürgerwillen verbindlich machen“ im Bezirk Altona erklärt Burkhard Masseida, Spitzenkandidat der Piratenpartei Hamburg und Direktkandidat im Wahlkreis Altona:

„Wie den meisten Bewohnern Altonas durch die bezirksweite Plakatierung und durch die versandten Abstimmungsunterlagen des Bezirksamtes bekannt sein dürfte, findet bis zum 24.10. im Bezirk Altona ein Bürgerentscheid unter dem Motto „Bürgerwillen verbindlich machen“ statt. Hintergrund ist die seit Jahren unbefriedigende und häufig ausgenutzte Rechtslage, die es dem Hamburger Senat ermöglicht, erfolgreiche Bürgerentscheide nach Belieben zu überstimmen. Hier findet eine regelrechte Verhöhnung der Bürger statt, wenn Initiativen sich monatelang auf die Straße stellen um für ihre Anliegen zu werben und Mehrheiten zu organisieren, nur damit der Senat das Ergebnis dieser Arbeit dann par ordre de mufti für irrelevant erklärt. Die Beispiele, die die Initiative im Begleitheft der Abstimmungsunterlagen aufführt sind real, und es sind nicht die einzigen. Aus nahezu jedem anderen Bezirk sind vergleichbare Fälle bekannt.

Selbst wenn Bürgerentscheide verbindlich wären, könnte natürlich die Bevölkerung des Bezirks Altona alleine nicht die Hamburgische Verfassung ändern, so dass dieser Bürgerentscheid rein symbolischen Charakter hat. Dennoch besteht hier die Möglichkeit, ein wichtiges Zeichen zu setzen. Bereits für das kommende Jahr hat der Verein Mehr Demokratie e.V. eine hamburgweite Volksinitiative angekündigt, die sogenannte Einheitsgemeinde Hamburgs aufzulösen und in mehrere eigenständige Städte bzw. Gemeinden mit kommunaler Eigenständigkeit in einem weiter bestehenden Bundesland Hamburg zu teilen. Auch die Initiative „Bürgerwillen verbindlich machen“ nennt in ihren Infomaterialien die Abschaffung der Einheitsgemeinde als Weg zur gewünschten bezirklichen Eigenständigkeit. Der Text der Vorlage zum Bürgerentscheid bleibt aber in dieser Hinsicht offen, so dass auch weniger radikale Modelle denkbar wären, die zur rechtlichen Verbindlichkeit von Bürgerentscheiden führen. Ein Erfolg der Initiative wäre ein erster Fingerzeig an die Politik, dass hier dringender Anpassungsbedarf besteht.

Die Gegenposition der Mehrheitsfraktionen der Bezirksversammlung überzeugt hingegen nicht. Ihre Kollegen in den Bürgerschaftsfraktionen von SPD, CDU und Grünen haben erst im vergangenen Herbst innerhalb weniger Wochen eine Verfassungsänderung zur Einführung einer 3%-Hürde durch die Bürgerschaft gejagt, um ein gegenteiliges Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts zu umgehen und kleine Parteien sowie Wählervereinigungen aus den Bezirksversammlungen fern zu halten. Den Gegenvorschlag der Bezirksversammlung zum jetzigen Bürgerentscheid unter dem Titel „Bürgerwillen durchsetzen – durch starke Bezirke“ hätten diese Fraktionen also problemlos schon lange umgesetzt haben können. Es wirkt daher wenig glaubwürdig, dass ausgerechnet CDU, SPD und Grüne in Altona sich jetzt plötzlich für mehr bezirkliche Eigenständigkeit einsetzen möchten. Auch wenn diese Vorlage angenommen würde, wäre sie ja bequemerweise nicht verbindlich, und ihre einzige Forderung, die mehr als vage Andeutungen darstellt, ist eine Absage an die Auflösung der Einheitsgemeinde.

Die von den Mehrheitsfraktionen geschürten Befürchtungen, gesamtstädtische Interessen könnten in bezirklicher Kleinstaaterei unter die Räder kommen, entbehren jeder Grundlage. Auch in Flächenländern werden große Infrastrukturprojekte nicht in den einzelnen Gemeinden entschieden. In Wahrheit geht es diesen Fraktionen bloß darum, auch in Zukunft die Abholzung eines kleinen Wäldchens, den Abriss eines Schwimmbades zugunsten der neuen Filiale einer Fastfoodkette oder den Bau eines neuen Bürokomplexes für eine große Werbeagentur, statt geplanter Wohnungen, weiterhin als „gesamtstädtisches Interesse“ zu verkaufen und den Willen der Anwohner auszuhebeln.

Die Diskussion über die Einheitsgemeinde ist deswegen das, was Hamburg jetzt braucht. Ob es am Ende zu einer vollständigen Neuorganisation der Freien und Hansestadt Hamburg kommt, oder ob in einem Kompromiss nur ein relevanter Teil der lokalen Entscheidungsbefugnisse zur alleinigen Kompetenz der Bezirke erklärt wird, muss am Ende dieser Diskussion stehen, nicht am Anfang. In jedem Fall müssen wir zu einem Punkt gelangen, wo wir den Initiatoren von Bürgerentscheiden Planungs- und Rechtssicherheit gewähren können. Ich danke den Initiatoren des Bürgerentscheids von der Gruppe Altonaer Manifest, sowie den Menschen bei Mehr Demokratie, dass sie dieses Thema auf die gesellschaftliche Tagesordnung gehoben haben.

Deshalb habe ich heute per Briefabstimmung
* für den Entwurf der Bürgerinitiative „Bürgerwillen verbindlich machen“,
* gegen den Entwurf der Bezirksversammlung „Bürgerwillen durchsetzen – durch starke Bezirke“,
* in der Stichwahl für die Vorlage des Bürgerbegehrens
gestimmt und empfehle allen meinen abstimmberechtigten Altonaer Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dasselbe zu tun.“

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