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Ich war ein homophobes Arschloch

von Andi Popp

Ich beschäftige mich gerne ein bisschen mit US-Politik, insbesondere sehe ich gerne die daraus entstehende Satire wie die The Daily Show und Colbert Report oder Real Time with Bill Maher. Nicht selten machen sich diese Formate über den rechtskonservativen Propaganda… Pardon… »Nachrichten«-Sender Fox News lustig. Das Kopfschütteln über die US-Rightwing-Rhetorik, die oft mit einer unvorstellbaren Vehemenz auch gegen Homosexuelle wettert, konnte ich mir dabei selten verkneifen. Dabei erfüllte es mich immer ein bisschen mit stolz, dass wir in Deutschland da schon eine erheblich Ecke weiter waren.

Dieses Bild unserer Gesellschaft ist in der jüngsten Zeit zusammengebrochen, nicht zuletzt wegen der Petition gegen den neuen Bildungsplan in Baden-Württemberg oder der wachsenden Zustimmung für die neue Rechtsaußenpartei mit dem kleinen f in der Mitte, die Hitzelsperger wegen seinem Outing angreift und sich dabei der exakt gleichen Rhetorik wie Fox News bedient. Heute abend sind wir wieder soweit, dass wir das Thema Gleichstellung aller sexuellen Orientierungen in Talk Shows diskutieren. Dies alles nehme ich zum Anlass eine persönliche Geschichte zu erzählen, auf die ich – selbst wenn ich wohl nur einer von vielen bin, der sie erzählen könnte – nicht stolz bin.

Ich war seit meiner Jugend ein ziemlich homophobes Arschloch. Jahrelang benutzte ich Wörter wie »schwul«, »Schwuchtel« oder »Homo« als Schimpfwort. Selbst als ich langsam volljährig wurde und dieses in meinen Augen damals dumme und kindische Verhalten abgelegt hatte, wurde aus mir auch nur ein verkappter Homophober, der sich sonst was drauf einbildete genau zu erklären, warum er Homosexualität zwar tolerierte, aber nicht akzeptierte (während in der Gruppe unter anderem auch ein Freund dabei war, der sich kürzlich geoutet hatte). Alles lief nach dem Motto: »Was du privat machst ist mir egal, aber lass mich damit in Frieden.«

Als ich 2007 bei den Piraten eintrat, war ich davon schon wieder etwas abgerückt und weiterentwickelt. Und dennoch tat ich anfangs die Bestrebung ein geschlechter- und familienpolitisches Profil zu entwickeln, das sexuelle Vielfalt weiter stärkt und das Geschlechterbinär in Frage stellt, als First-World-Problem und sinnloses Mimimi ab. Und auch in vielen Details, wie der Frage nach Gleichstellung bei Ehe und Adoption, war ich ambivalent. Erst durch die Diskussion mit vielen engagierten Piraten (wir waren damals ja nur ein paar hundert), die trotz unterschiedlicher Meinung ihre Argumente mit mir austauschten, habe ich gelernt, die Probleme einigermaßen zu verstehen.

Mein Verhalten in der Vergangenheit war sehr häufig unfreundlich und verletzend und ich möchte mich dafür öffentlich entschuldigen. Ich schreibe diesen Text aber nicht als Entschuldigung, sondern um meinen Entwicklungsprozess zu beschreiben, zu zeigen, dass Homophobie etwas ist, das man überwinden kann. Vielleicht sind da draußen Menschen, die so ambivalent sind wie ich einst war und vielleicht stolpern sie über diesen Text. Diejenigen möchte ich bitten sich folgende Frage zu stellen:

Was schadet es mir oder irgendwem, wenn andere Menschen sich zu ihrem eigenen Geschlecht hingezogen fühlen?

Das war für mich die Schlüsselfrage, ich beantwortete sie mit: nichts. Und daraus lässt sich schlussfolgern: Es schadet nichts, wenn sie heiraten. Es schadet nichts, wenn sie sich öffentlich küssen. Es schadet nichts, wenn sie eine Familie gründen.  Es schadet nichts, wenn Kinder und Jugendliche ihre eigene Sexualität frei von Vorurteilen entwickeln (ganz im Gegenteil). Und deshalb schadet es auch nichts, wenn Kinder lernen, dass es Menschen mit den unterschiedlichsten sexuellen Neigungen gibt.

Deshalb hat niemand das Recht einen anderen aufgrund seiner sexuellen Orientierung zu verurteilen oder zu diskriminieren. Und deshalb müssen wir uns zu einer Gesellschaft entwickeln, in der die Vielfalt aller sexuellen Orientierungen selbstverständlich ist. Noch sind wir nicht soweit und müssen daher noch hart daran arbeiten, jeder von uns auch an sich selbst.

Der Originalbeitrag ist auf andipopp.wordpress.com erschienen.