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Angriff auf die Pressefreiheit

Am Morgen des 23. Juli 2014 wurde die Wohnung des Hamburger Pressefotografen T. von der Polizei durchsucht. Dabei wurden eine Kamera, sein Computer, mehrere Festplatten, Mobiltelefone und weitere Gegenstände beschlagnahmt. T. betreibt eine Seite auf Facebook und einen Twitter-Accout [1][2] auf denen er regelmäßig Fotos von Demonstrationen veröffentlicht. Die Begründung für die Durchsuchung bezieht sich laut Beschluss auf eine kleine Anzahl „Verstöße gegen das Kunsturheberrechtsgesetz“. Die Hamburger Polizei behauptet, die Persönlichkeitsrechte ihrer Beamten wären durch die Abbildung im Internet verletzt worden. Begleitend wurde ihm ein weiterer Beschluss überreicht, zusätzlich eine weitaus größere Anzahl Fotos der Öffentlichkeit unzugänglich zu machen. Auf etlichen dieser beanstandeten Aufnahmen sind allerdings lediglich Helmnummern zu erkennen oder große Gruppen von bis zu ca. 50 Beamten, fotografiert im steilen Winkel von einer Brücke, so dass kein Beamter einzeln erkennbar ist. Der Aufforderung, diese Aufnahmen, binnen drei Tagen zu entfernen, ist T. inzwischen nachgekommen.

Für die Hamburger PIRATEN stellt dies einen nicht hinnehmbaren Angriff auf die Pressefreiheit dar. Dokumentationen von Polizeieinsätzen liegen im öffentlichen Interesse und sind daher auch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts von den Erlaubnisgründen des §23 KunstUrhG abgedeckt [3]. Dies gilt auch für Fotos, auf denen Polizisten unter Umständen erkennbar sind. Eine rechtsstaatlich handelnde Polizei muss es sich gefallen lassen, bei ihrer Arbeit beobachtet und kritisch begleitet zu werden. Ob jemand klassischer Journalist ist oder Blogger macht dabei keinen Unterschied. Auch das müsste die Hamburger Polizei eigentlich wissen, ist doch vor etwa zwei Wochen erst ein Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg rechtskräftig geworden, in dem das Vorgehen einer Hamburger Polizeieinheit im Zuge eines Gorleben-Einsatzes gegen ein Podcastteam für rechtswidrig befunden wurde.[4]

Die Piratenpartei Hamburg fordert deswegen schon seit längerem, nicht nur Film- und Fotoaufnahmen bei Polizeieinsätzen generell zu tolerieren, sondern auch den Versuch durch Amtsträger, derartige journalistische Tätigkeit zu be- oder verhindern unter einen eigenen Straftatbestand zu stellen.

Hinzu kommt in diesem Fall, dass das schwer in die Grundrechte eingreifende Mittel der Hausdurchsuchung unserer Ansicht nach völlig unangemessen ist im Vergleich zum angeblich begangenen Delikt, dass mit einer Strafe von maximal einem Jahr Freiheitsentzug oder Geldstrafe absolut am unteren Ende der Strafbarkeit steht. Desweiteren findet eine „Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung“ (§ 22 KunstUrhG) per Definition nicht in den eigenen vier Wänden statt. Eine Beweisführung wäre demnach aller Wahrscheinlichkeit nach problemlos auch ohne eine Durchsuchung möglich. Die Durchsuchung ist vielmehr als Akt der Einschüchterung zu werten.

Als Hamburger PIRATEN sind wir der Meinung, dass Polizei und Staatsanwaltschaft sich hier Sonderrechte herausgenommen haben, die gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen. Eine Prüfung wäre angebracht, inwiefern das Vorgehen der beteiligten Beamten und Richter hier mit Konsequenzen belegt werden könnte.

Dem Fotografen wünschen wir viel Erfolg bei der Abwendung des Ermittlungsverfahrens und seinen rechtlichen Schritten gegen die Durchsuchung, und dass er sich nicht einschüchtern lässt und weiter seiner Tätigkeit nachgeht.

[1] www.facebook.com/demofotos
[2] https://twitter.com/DefoHH/status/491872498037059584
[3] https://www.lawblog.de/index.php/archives/2012/03/28/polizisten-mssen-sich-fotografieren-lassen/
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=280312U6C12.11.0
[4] http://www.metronaut.de/2014/07/podcastbus-prozess-urteil-rechtskraeftig-urteilsbegruendung-eine-wahre-freude/

6 Kommentare zu “Angriff auf die Pressefreiheit

  1. Da fragt man sich schon, was die Polizei zu verheimlichen hat. In einem demokratischen Staat muss es möglich sein, angeblich demokratisch legitimierte Polizeieinsätze zu dokumentieren und zwar nicht nur durch die Polizei selbst, sondern auch durch unabhängige Personen. Dagegen sollte die Polizei auch nichts haben, wenn sie tatsächlich immer nach Recht und Gesetz handelt. Solche Aktionen zeigen aber, dass die Polizei dies nicht tut und der öffentliche Druck muss hier noch deutlich größer werden.

    Wie die Chancen des Betroffenen stehen, ist, gerade in Hamburg, sehr schwer einzuschätzen. Immerhin gibt es ja bereits Urteile, die Fotografien von Polizisten für legal halten.

  2. C. Schwarz

    Die Tolerierung von Film- und Fotoaufnahmen darf aber keine Einbahnstraße sein. Insofern müssten es sich dann Demonstranten auch gefallen lassen, bei ihrem Handeln durch die Polizei gefilmt und fotografiert zu werden. Sich rechtsstaatlich verhaltende Demonstranten dürften dann ebenfalls nichts daran auszusetzen haben, bei ihrem Handeln beobachtet und kritisch begleitet zu werden. Zumal diese Aufnahmen ja noch nicht einmal veröffentlicht werden. Im Übrigen interessiert es mich keinen Deut, Fotos von Polizisten zu sehen, die gerade einen Apfel essen, oder eine Selter trinken. Was bitteschön soll das für das rechtsstaatliche Handeln der Polizei beweisen. Solche Aufnahmen liegen mit Sicherheit nicht im Interesse der Öffentlichkeit. Ich möchte mich auch nicht im Internet meit einem Bild wiederfinden, wie ich in der Nase popel.

    • Hach, der Kommentar ist schon lustig. Was meinst du, was die Polizei macht? Sie nimmt die Demonstranten auf, die habe ihre Videokameras nicht umsonst mit. Die haben sogar noch mehr Möglichkeiten, so können sie zum Beispiel Mobilfunkdaten abrufen, um abzuklären, wer auf solchen Demos mitläuft. Sollten die Demonstranten nicht dasselbe recht haben?

  3. Joachim Augustin

    Nichts entlarvt die leeren hohlen Phrasen der Politiker mehr als die Wirklichkeit. Das dabei die SPD eine so miese Rolle spielt, hätte wohl niemand für möglich gehalten. Doch es zeigt umso deutlicher, dass in unserem Staat Begriffe wie Moral, Gesetzmäßigkeit, Anstand und Achtung des Rechtes immer öfter ins Gegenteil verkehrt werden. Zum Zwecke des Machterhalts und der Unterdrückung Andersdenkender. Und in unserer Gesellschaft, die wie keine andere darauf fokussiert ist, Profit und Vorteile zu maximieren, werden diejenigen immer weniger, die dagegen aufbegehren. Ich werde dazu gehören.

  4. Pingback: Neue Gangart gegen Demofotografen?

  5. zu „blabla | keine Einbahnstrasse | dann müssen auch die Polizisten fotografieren dürfen…“

    Nein, dürfen die nicht. Die wenn-dann Logik ist totaler Unsinn.

    Die Polizei darf Versammlungen/Demos zumindest generell nicht filmen, da dies einschüchternd wirkt und von der Wahrnehmung der Versammlungsfreiheit abschreckt. Dutzende Urteile, immer wieder klargestellt. Ausnahmen bestehen nur bei -konkreter- Gefahr und konkreten Anhaltspunkten für Straftaten.

    Demonstranten dürfen hingegen sehrwohl filmen. Es ist öffentlicher Raum. Persönlichkeitsrechte sind überhaupt erst ab Veröffentlichung tangiert, nicht durch die Aufnahme. Es sei denn, es geht eindeutig um Nahaufnahmen. Und Berichterstatter dürfen auch sehr wohl veröffentlichen, es ist ein „öffentlicher Aufzug“ (Kunsturhebergesetz).

    Berichterstatter ist jeder, der es sein will und veröffentlicht. Die presserechtliche deutsche Abmahnmafia (danke rot-grün, danke schwarz-gelb…) gilt ja auch für Jeden.

    Soweit die Theorie. In der Praxis interpretiert die Polizei(führung) natürlich grundsätzlich alles und jeden als gefährlich und gefährdent, wenn es denn ins Weltbild passt. Und unsere Rechts-außen-innen-Minister auf Länderebene von CDU + SPD (kein nennenswerter Unterschied) bohren weitere Löcher in diese Grundrechte, z.B. mit der angeblichen Notwendigkeit von „Übersichtsaufnahmen“ (als ob bspw. mündliche Beschreibungen im Funkverkehr nicht reichen würden, um einen Demoverlauf zu begleiten)…

    Auch Aufzeichnung für „Trainingszwecke“ und anderer, leicht durchschaubarer Schrott ist den Verantwortlichen nicht zu peinlich. Und da ist die Schillianer Garde unter Olaf Scholz natürlich ganz vorn dabei. „Verdächtiger“, „Gefährder“, „Lage“. Je wachsweicher, um so besser…

    Um das von Gerichten wieder einzukassieren zu lassen, braucht es enorme Zeit, Mühen, und —wie immer in unserem Spezialrechtsstaat— ausreichend Geld…

    Das hier scheinbar aus nicht-wichtigem Grund (Persönlichkeitsrechte auf ein paar Fotos. Visagen, keine Adressen, keine Namen, nichts was direkt zu einer Bedrohung werden könnte) scheinbar sogar die Unverletztlichkeit einer Wohnung aufgegeben wurden, ist nochmal ein ganz anderer Schnack. Das riecht schon stark nach grober Rechtsbeugung und Einschücherung sowieso.

    Ordentliches Rechtsmittel (früher, Demokratie und so) bei tatsächlichen Verstössen wäre eine Unterlassungsklage gewesen, ggf. vorab eine einstweilige Verfügung. Hier ging es um ein Exempel. Und vermutlich auch um „Beifang“.

    Der Fotograf darf (nach grober Durchsicht seiner Twitter-Seite) wohl auch als Aktivist gelten, er hortet dem Anschein nach kistenweise Flyer, spricht von „Bullen“… also ein neutraler Berichterstatter war er nicht. Aber auch das rechtfertigt allerdings noch längst keine Hausdurchsuchung…

    (For Reference: Wir wissen ja aus Hamburg-Mitte, daß die Staatsanwaltschaft Hamburg bei Gewalt von privaten Unsicherheitskräften gegen Fotografen/Bezirkspolitiker „kein öffentliches Interesse sieht“ und Verfahren still und leise einstellt. Anscheinend wiegen vorgebliche Persönlichkeitsrechte von Polizisten weitaus schwerer als physische Gewalt gegen Bürger/Bezirkspolitiker… )

    Meine Vorhersage: Mit viel Verzögern, Behindern und kostensteigernden Verfahrenstricks wird schlussendlich die Rechtswidrigkeit der Massnahme festgestellt werden. Sommer 2015. Für die „Verantwortlichen“ bleibt das wie immer ohne jede Folge. Keine Abstrafung, keine Versetzung, keine Entschuldigung. Die Kosten des Verfahrens zahlt wie immer in solchen Fällen: der Steuerzahler. Und das Opfer mit seinen Nerven und seiner Zeit. Man braucht keine Verurteilung, um jemand mundtot zu machen.

    Weiterer Link zum aktuellen Fall:
    http://www.taz.de/1/archiv/?dig=/2014/08/01/a0146

    Nebenfrage: Was ist eigentlich aus diesem Fall von Februar 2013 geworden?
    Da ging es ja gleich um NEUN Fotografen:
    http://www.taz.de/Hausdurchsuchung-bei-taz-Fotografen/!110503/

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