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[Update] #hh2112: Aufrüstung statt Aufklärung? PIRATEN fordern parlamentarischen Untersuchungsausschuss statt polizeilicher Sonderrechte

[Update] Hamburger Jurist bezweifelt Darstellung der POLIZEI

Einen Tag vor der Sondersitzung des Innenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft, hat sich der Hamburger Rechtsanwalt Andreas Beuth mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewandt.

Beuth zweifelt an der Darstellung der Polizei einen vermeintlichen Angriff auf Polizisten vor der Davidwache betreffend.

Nach Angaben der Hamburger Polizei waren am 28.Dezember etwa 30-40 schwarz gekleidete Personen, die dem linken Spektrum angehören, gegen 23 Uhr vor die Davidwache gezogen. In der Meldung der Polizei heißt es: „Als Polizeibeamte daraufhin aus der Davidwache herauskamen, wurden sie an der Ecke Reeperbahn/ Davidstraße aus der Personengruppe heraus gezielt und unmittelbar mit Stein- und Flaschenwürfen angegriffen. Dabei erlitt ein Polizeibeamter (45) einen Kiefer- und Nasenbruch sowie eine Gesichtsschnittverletzung, als ihm einer der Täter aus nächster Nähe einen Stein ins Gesicht schlug.“

Medien gegenüber erklärte Andreas Beuth, dass die Ereignisse des 28.12. völlig falsch wiedergegeben worden um die Einrichtung eines umfassenden Gefahrengebietes zu legitimieren.

Unter Anderem wegen dieses vermeindlichen Angriffes wurden am vergangenen Freitag große Teile des Hamburger Zentrums zu einem unbefristeten Gefahrengebiets in einem nie dagewesenen Ausmaß erklärt. Alleine am gestrigen Tag sind weit mehr als 250 Personen anlasslos von der Polizei angehalten und kontrolliert und 62 Personen mit einem Platzverweis belegt worden. [thomas michel]

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von Andreas Gerhold

Eine Woche nach den Ereignissen rund um die Demonstration „Recht auf Stadt für alle“, bei der sich ca. 8000 Teilnehmer für den Erhalt der Roten Flora, das Bleiberecht der Lampedusa-Flüchtlinge und für die Bewohner der Essohäuser einsetzten und die mit weit über 600 Verletzten endete, tagte am vorvergangenen Freitag der Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Man sollte es eigentlich für selbsverständlich halten, dass die Vorfälle der Demonstration aktuell behandelt werden, wie von den Fraktionen Die Linke und Grünen beantragt. Ekkehard Wysocki (SPD) , der Ausschussvorsitzende, lehnte dies aber aus „terminlichen Gründen“ ab. Auch Arno Münster, Fachsprecher Inneres der SPD-Fraktion, sah keinen Grund für eine „überstürzte“ Behandlung und wollte lieber erstmal „Daten und Fakten sammeln“. Oder sie frisieren, so mutmaßt die taz unter dem Titel „Staatsstreich am Schulterblatt“ [1].

Auf Antrag der Grünen wird es am Montag, den 06.01.2014, dann aber doch eine Sondersitzung des Innenausschusses zu diesem Thema geben. Aus Polizeikreisen werden währenddessen Forderungen nach sogenannten „nichttödlichen Waffen“, wie Gummigeschossen, Elektroschockern und sogar dem erleichterten Schusswaffengebrauch laut. An diesem Freitag richtete die Polizeiführung zudem wieder ein sogenanntes „Gefahrengebiet“ ein, dass der Polizei von Altona-Nord, über das Schanzenviertel bis nach St.Pauli grundrechtseinschränkende Sonderrechte einräumt [2]. Die Hamburger PIRATEN lehnen diese Aufrüstung ab und fordern vollständige Aufklärung der Ereignisse vom 21.12. des vergangenen Jahres.

Ob eine Sondersitzung zur Aufklärung reichen wird ist fraglich. Wir PIRATEN fordern daher einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) und die Ladung der Einsatzleitung der Polizei, Peter Born und Hartmut Dudde, des Innensenators Michael Neumann, sowie der Anwälte aus dem Ermittlungsausschuss als Zeugen. Für die Durchsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses fehlt den Linken mit den Grünen zusammen allerdings das erforderliche Viertel der Abgeordneten, dass für die Einsetzung eines PUA Voraussetzung ist. Aber warum sollte die SPD eine Untersuchung ablehnen – wenn sie nichts zu verbergen hat? Hier geht es schließlich nicht um Privatsphäre.

Auch CDU und FDP sollten ein Interesse an Aufklärung haben und eine Untersuchung nicht ihrer Annahme einer grundsätzlich rechtmäßig handelnden Exekutive opfern. Nur ein Untersuchungsausschuss mit Anhörung von Zeugen kann die notwendige Aufklärung leisten: „Inzwischen verdichten sich Hinweise, dass die Einsatzleiter Born und Dudde die Demonstration am 21.12. bewusst eskaliert haben. Damit wären sie nicht nur für über 500 verletzte Demonstranten, sondern auch für 120 verletzte Polizisten mitverantwortlich.“ erklärt Sebastian Seeger, Vorsitzender der Hamburger PIRATEN. „Aufklärung ist hier dringend geboten. Es muss auch geklärt werden, inwieweit die Polzeiführung nicht nur das Grundrechte auf freie Meinugsäußerung tausender Demonstranten verletzt hat, indem sie die Demonstration, noch bevor ein Anlass vorlag, aufgelöst hat, sondern auch ob die Rechte der Festgenommenen und ihrer Anwälte verletzt wurden [3]. Sollte sich zudem herausstellen, dass Innensenator Neumann davon Kenntnis hatte, ist auch er für die Eskalation und hunderte Verletzter mitverantwortlich und ist als Senator nicht mehr tragbar.“

Anwälte erheben schwere Vorwürfe
In ihrem Bericht erheben die Anwälte des Ermittlungsaussusses (EA-HH) schwere Vorwürfe gegen die Polizeiführung, namentlich gegen den Einsatzleiter Born „Generell wurde den Rechtsanwält*innen, auf Weisung des Einsatzleiters Herr Born, der Kontakt zu ihren Mandant*innen verweigert. Auch Informationen über den Verbleib von Mandant*innen wurden zurückgehalten. Sogar im Falle eines Minderjährigen, der aufgrund von Polizeigewalt ins Krankenhaus gebracht wurde, ist den Anwält*innen der Zutritt in das Behandlungszimmer von der Polizei verweigert worden.“ heißt es dort.

Auch die Ereignisse rund um den Kessel Kastanienallee werden als dramatisch beschrieben. Dort waren am frühen Abend etwa 200 Menschen von der Polizei in einem sogenannten Kessel bis zu fünf Stunden festgehalten worden. Auch hier wurde Anwälten der Kontakt zu Mandanten verweigert. „Dabei wurden die festgehaltenen Menschen weder mit mit Essen oder Trinken versorgt, noch gab es die Möglichkeit eine Toilette zu benutzen.“ schreiben die Anwälte. Anschließend wurden die in Gewahrsam genommenen in einer Sammelstelle nochmals bis zu acht Stunden ohne Essen, Trinken (!) oder die Möglichkeit zum Toilettengang festgehalten. Auch der richterliche Notdienst soll, statt wie angekündigt mit drei Personen, lediglich für zwei Stunden mit einer Person besetzt gewesen sein, sodass Einsatzleiter Dudde die richterliche Aufgabe übernommen hat über Anschlussgewahrsam zu entscheiden. Die Anwälte prüfen nun eine Klage zur Feststellung der Rechtmäßigkeit des Kessels. Nach bereits erfolgter Rechtssprechung [4], dürfte es gute Aussichten geben, dass der Kessel als unrechtmäßig beurteilt wird.

Eine parlamentarische Untersuchung dieser Vorwürfe sollte auch der regierenden SPD am Herzen liegen, will sie diese nicht im Raum stehen lassen.

„Gefahrenbgebiet“ stellt alle Hamburger unter Generalverdacht
Als „Gefahrengebiet“ deklarierte polizeiliche Sonderrechtszonen lehnen die PIRATEN als grundrechtsverletzend und unnütz ab. „Abseits von Telekommunikation und Internet wird auch der reale öffentliche Raum zunehmend anlasslos und verdachtsunabhängig überwacht. So können in Hamburg von der Polizeiführung ohne jegliche richterliche oder parlamentarische Kontrolle sogenannte „Gefahrengebiete“ eingerichtet werden. In diesen kann die Polizei ohne Anlass oder Anfangsverdacht Personalien überprüfen und sie in diesem Zusammenhang speichern, kann Taschen kontrollieren und Aufenthaltsverbote aussprechen. In Hamburg bestehen derzeit vier dauerhafte „Gefahrengebiete“, in denen die Grundrechte eingeschränkt werden. Wir fordern die Aufhebung der beiden Gefahrengebiete in St. Pauli sowie der in St. Georg und dem Schanzenviertel, des weiteren die Streichung des entsprechenden Passus im „Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei“ (HmbPolDVG).“ schreibt das Hamburger Bündnis gegen Überwachung, in dem sich mit den PIRATEN auch die Linke, die Grünen, die FDP, der CCC, die Digitale Gesellschaft, der AK Vorratsdatenspeicherung, die Deutsche Journalisten Union, Mehr Demokratie e. V., die Initiative Rechtsanwälte gegen Totalüberwachung mit über tausend Juristen und etliche weitere Organisationen zusammen geschlossen haben.[5]

Die Polizei betont immer wieder, dass nicht Bewohner und Besucher nach Sonderrecht ohne Anlass oder Anfangsverdacht kontrolliert werden sollen, sondern nur Personengruppen, die nach Lageerkenntnis verdächtig seien. Das ist natürlich verharmlosender Unsinn: JEDER und JEDE ist verdächtig! Denn ginge es nur um Personen, die real und konkret verdächtig sind, bräuchte es dieser Sonderrechte nicht, nach dem auch jede Tasche durchsucht und Personen des Gebietes verwiesen werden können. Der Klou ist ja, dass eben ein Verdacht nicht Vorraussetzung für polizeiliche Kontrollen ist. Besteht ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder dass es sich um eine gesuchte Person handelt, darf die Polizei selbstverständlich immer die Personalien kontrollieren und den Verdacht prüfen.

Dass Gefahren wie Überfällen auf Polizeiwachen mit diesen „Gefahrengebieten“ nicht begegnet werden kann, liegt zudem auf der Hand, da die in bereits vorhandenen „Gefahrengebieten“ stattfanden.

Nachtrag: „Aber DIE haben …“
NEIN, an dieser Stelle kein „Aber die Chaoten haben…“!

Unsere Aufgabe als Bürgerrechtspartei ist es dafür zu sorgen, dass staatliche Gewalt im Rahmen der Verfassung, bestehender Gesetze und unter Wahrung der Grundrechte ausgeübt wird. Es ist nicht unsere Aufgabe und es wird uns auch nicht gelingen „Revolutionäre“ davon zu überzeugen nur innerhalb des Systems zu agieren um das System zu verändern. Wir agieren aber innerhalb des Systemes um es zu verändern, deshalb ist es unsere Aufgabe das System auf Spur zu bringen und nicht die, die sich außerhalb bewegen!

Dort wo wir als Partei oder Piraten (also Personen) in Statdtteilzusammenhängen vertreten oder in Kontakt sind, werden wir uns an der Diskussion im Stadtteil beteiligen. Zum Überfall auf die Davidwache hat sich der Vorsitzende der Fraktion PIRATEN im Bezirk Mitte Andreas Gerhold gegenüber einer Polizeiinitiative wie folgt geäußert: „Ich verurteile den Überfall auf´s Schärfste und kann es in keiner Weise nachvollziehen. Dem verletzten Beamten meine herzlichsten Genesungswünsche. Allen Hamburger Polizisten wünsche ich einen Senat der Probleme auf der politischen Bühne löst, statt sich hinter Ordnungskräften zu verstecken, eine Polizeiführung die konsequent auf Deeskalation setzt, statt Polizisten durch Eskalation zu verheizen und eine Gewerkschaft, die für eine politisch neutrale Polizei eintritt statt immer wieder große Teile der Bevölkerung zu diffamieren und durch immer wiederkehrende Aufrüstungsforderungen immer gefährlichere Konflikte zu fördern.“ [6]

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Termin:
Öffentliche Sondersitzung des Innenausschusses
Montag, 06.01.2014, 17:00
Rathaus, Kaisersaal

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[1] taz, 27.12.13 „Staatsstreich am Schulterblatt“ http://www.taz.de/!130045/
[2] PM Polizei Hamburg, 03.01.14 http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/6337/2632317/pol-hh-140103-3-wiederholte-angriffe-auf-polizeibeamte-und-polizeiliche-einrichtungen-polizei/rss?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter
[3] Bericht des Ermittlungsausschusses: http://eahh.noblogs.org/post/2013/12/22/kurzmitteilung-hh2112-demo-fuer-flora-esso-haeuser-lampendusa-in-hamburg/
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Polizeikessel#Geschichte
[5] http://stop-watching-hamburg.de/
[6] https://www.facebook.com/Davidswache/posts/442626759199838?ref=notif&notif_t=like

Foto: Florian Baushc CC BY-SA 2.0

3 Kommentare zu “[Update] #hh2112: Aufrüstung statt Aufklärung? PIRATEN fordern parlamentarischen Untersuchungsausschuss statt polizeilicher Sonderrechte

  1. Was tun oder fordern die Piraten HH gegen solche Typen? http://www.unzensuriert.at/content/0014594-Linksextreme-k-ndigen-B-rgerkrieg-gegen-Bullen

    Schade, dass sich auch die Piraten in Einseitigkeit ergeben. Stumpf nach plaudern was vom „polizeilichen Gegenüber“ geäußert wird.
    Anwälten wurde der Zugang versagt? Wisst Ihr wie sowas aussieht?

    Anwalt: „Ich will zu meinem Mandaten“
    Polizei: „Wer ist das denn?“
    Anwalt: „ich habe keine Namen, übernehme aber das Mandat der Festgenommenen.“
    Polizei: „Dann kommen sie wieder wenn sie wissen wie ihr Mandant heißt.“

    Da kommen Anwälte an die GeSa und wollen Kundenaquise betreiben…

  2. Pingback: #hh2112: Aufrüstung statt Aufklärung? PIRATEN fordern PUA statt polizeilicher Sonderrechte | Piratenpartei Hamburg

  3. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Piraten alles „nach plaudern“. Was das polizeiliche Gegenüber sagt. Hast du die anderen Stellungnahmen gelesen?

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