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Fallakte Hannemann: Jobcenter suspendiert kritische Mitarbeiterin

„Inge Hannemann, Mitarbeiterin in einem Jobcenter in Hamburg und Journalistin, schreibt über die Abläufe in den Jobcentern und macht die Missstände in ihrem kritischen Hartz IV-Blog öffentlich.“ So beschreibt Inge Hannemann sich auf ihrer Facebookseite [1] selbst.

In ihrem Blog [2] gibt sie Erwerbslosen Tipps, fordert die Achtung der Menschenwürde, prangert die aktuellen Hartz-Gesetze an und weist auf Missstände in Jobcentern und Arbeitsagenturen hin. In ihrem Job nutzt sie ihren Ermessensspielraum um ihre „Kunden“ tatsächlich in ihrem Sinne zu beraten, statt, wie von der Geschäftsleitung gefordert, im Sinne des einzuhaltenden Budgets. Die von ihr kritisierte Praxis schließt beispielsweise Sanktionen für versäumte Termine ein oder die Verordnung sinnloser Maßnahmen. Kürzungen des Existenzminimums und die damit oft verbundene Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen anstelle von Geld lehnt Hannemann als entwürdigend ab. „Das ist pure Willkür und kein Sachbearbeiter ist gezwungen, diese Willkür auszuüben. Ich muss meinen „Kunden“ keine sinnlosen Maßnahmen aufdrücken oder sie sanktionieren. Damit verstoße ich gegen kein Gesetz“, sagt Inge Hannemann und fordert ihre Kollegen auf, es ihr gleich zu tun.

Dafür stellt ihr Arbeitgeber sie nun frei. Sie darf nicht mehr an ihren Arbeitsplatz. Um das Gebäude zu betreten, muss sie sich vom Hausmeister begleiten lassen.

Schon im Februar schrieb Hannemann einen offenen Brief an die Bundesagentur
für Arbeit [3]. „Wie viele Tote, Geschädigte und geschändete Hartz-IV-Bezieher wollen Sie noch auf Ihr Konto laden? Wie viele Dauerkranke, Frustrierte und von subtiler Gehirnwäsche geprägte Mitarbeiter wollen Sie in Ihrem Konstrukt “Jobcentermaschine” durchschleusen?“, fragt sie dort. Bereits im März war sie in diesem Zusammenhang zu einer „Anhörung“ geladen, die dann aber, wohl aufgrund angekündigter Proteste, abgesagt wurde.

Unterstützung erhält Hannemann von vielen Arbeitslosen- und Grundeinkommensinitiativen aber auch zunehmend von Kollegen, wie dem Sozialpädagogen und ehemaligen Fallmanager Norbert Wiersbin, der sich mit einem Blogpost [4] dazu äußert: „Inge H. hat sich dabei in keinster Weise strafbar gemacht, sie hat nur ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt. Als mündige und verantwortungsbewusste Bürgerin, als Verfechterin der demokratischen Grundordnung. Stellvertretend für über 100.000 Kolleginnen bundesweit hat sie darauf hingewiesen, dass es so nicht weitergeht, auch nicht für die MitarbeiterInnen in den Jobcentern. Dort herrscht eine Kultur des Drucks und der Demütigung, die hohe personelle Fluktuation wie auch die exorbitanten Krankenstände sind Zeugen von Bedingungen, mit denen niemand leben kann.“

Mit einem weiteren offenen Brief wendet sich Hannemann nun noch einmal direkt an ihre Kolleginnen und Kollegen [5]: „Die vielen Mails und Outings von Euch zeigen mir, dass es auch im Inneren der Jobcenter brodelt. Dass ein Nachdenken entsteht. Sie zeigen mir aber auch, dass die Angst vor Repressalien von Oben und vor dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes und der darauf folgenden Existenzangst sehr groß ist. Und ich denke, dass ich nichts Falsches behaupte, dass diese Angst durchaus berechtigt ist.“

Die PIRATEN Hamburg erklären Frau Hannemann ihre Solidarität und fordern die sofortige Rücknahme aller Sanktionen. „Dass eine Mitarbeiterin, zumal im öffentlichen Dienst, für ihr bürgerrechtliches Engagement und ihr Bemühen um einen menschlichen Umgang mit Leistungsberechtigten, solchen Repressalien ausgesetzt wird und ihren Job verliert, ist nicht hinnehmbar. Wir rufen dazu auf, die Petition [6] für die Rücknahme der Sanktionen zu zeichnen!“, sagt Andreas Gerhold, Fraktionsvorsitzender in Mitte. „Ich kann die Kritik von Frau Hannemann aus eigener Erfahrung nur bestätigen.“.

„Frau Hannemann ruft ihre Kolleginnen und Kollegen dazu auf, am 2. Mai 2013, um 11.55 Uhr, eine Schweigeminute einzulegen, „für alle Erwerbslosen, die wir in Not, in Demütigung und in den Verlust der Menschenwürde getrieben haben.“ Wir schließen uns ihrem Aufruf an und werden uns zur Schweigeminute vor ihrem ehemaligen Arbeitsplatz, dem Jobcenter in Hamburg-Altona versammeln“, ergänzt Thembi Gräntzdörffer, die Direktkandidatin des Wahlkreises Altona, „Wir teilen die Kritik und unterstützen die Forderungen [7] von Frau Hannemann!“.

[1] https://www.facebook.com/IngeHannemann1
[2] http://www.ingehannemann.de
[3] http://altonabloggt.wordpress.com/2013/02/19/und-die-bundesagentur-fur-arbeit-schaut-zu/
[4] http://norbertwiersbin.de/der-fall-inge-h-aus-hh-maulkorb-fur-kritische-jobcenter-mitarbeiterin/
[5] http://altonabloggt.wordpress.com/2013/04/20/offener-brief-an-die-kolleginnen-und-kollegen/
[6] https://www.openpetition.de/petition/online/sofortige-ruecknahme-aller-sanktionen-gegen-die-arbeitsvermittlerin-inge-hannemann
[7] http://altonabloggt.wordpress.com/2012/11/03/eine-jobcenter-mitarbeiterin-fordert/

15 Kommentare zu “Fallakte Hannemann: Jobcenter suspendiert kritische Mitarbeiterin

  1. Pingback: Fallakte Hannemann: Jobcenter suspendiert kriti...

  2. Wo kann man denn die auf facebook erwähnte Petition für den Erhalt des Arbeitsplatzes von Frau Hannemann unterzeichnen? Diese Frau gehört auf allen Kanälen unterstüzt. Eigentlich verdient sie das Bundesverdienstkreuz für Zivilcourage!

  3. Karina L.

    In der heutigen Zeit mutige Menschen zu finden, die noch integer sind und wissen,was Ethik bedeutet, ist schon ein Wunder!
    Frau Hannemann zu suspendieren beweist einmal mehr, wie recht diese Frau doch hat!
    Betroffene Hunde bellen laut und nur Menschen mit Rückgrat können die Wahrheit ertragen.

  4. Pingback: AtaSe.de-Blog Visions

  5. Peter Diedrichsen

    Wir brauchen solche Menschen wie Frau Hannemann.

    Ich wünsche ihr viel Kraft und gute Nerven!

  6. Pingback: Fallakte Hannemann: Jobcenter suspendiert kritische Mitarbeiterin | Piraten-Schaumburg

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  8. Ich kann nur sagen, dass ich von Frau Hannemann sehr beeindruckt bin. DER SPIEGEL berichtete ebenfalls.
    Ich (Dipl.-Übersetzerin mit werbefachlicher Zusatzausbildung) sah mich auch einmal genötigt, dieses Almosen vom deutschen Staat zu beantragen. ALG II zu beantragen ist nur was für Masochisten!
    Typisch auch die Reaktion des „Arbeitgebers“ der couragierten Frau mit hohem IQ.
    Ihr Chef ist doch selbst nur an seine Position gekommen, weil er vor seinem nächst höheren Vorgesetzten immer brav Männchen gemacht hat. Und der hat natürlich vor so einer mutigen Frau eine Heidenangst.
    Die Petition werde ich natürlich unterzeichnen.

  9. Marsupilami

    Hallo, ich sehe Ihr (Piraten Hamburg) seit voll „am Ball“. Wir haben in Berlin gerade Beauftragte für Whistleblowerschutz ernannt um gerade in solchen Fällen besser als Partei gemäß unserem Programm helfen zu können. Aber auch den vielen unbekannten Menschen mit Rückgrad, die Rat, Hilfe und Öffentlichkeit brauchen. Laßt uns dieses Thema noch stärker ins öffentliche Bewußtsein heben. Gemeinsam. Alle. Unterzeichnet habe ich auch schon.
    Bekam dann eine Mail, die mich verunsicherte, ob ich meine Unterschrift wieder zurückziehen möchte?
    Kann mir jemand helfen? Gibt es ähnliche Erfahrungen?
    Bin Marsupilami im Wiki und dort jederzeit zu finden und zu kontakten.
    Tschüss

    • Torsten Radtke

      @Marsupilami: Die Petition ist zwei Mal geändert worden. Einmal gab es eine Überarbeitung der Rechtschreibung und einmal ist die Zeichnungsfrist verkürzt worden und die maximale Anzahl der Unterzeichnungen erhöht worden, da schon in kurzer Zeit 10.000 Unterzeichnende zusammengekommen sind.

      Inhaltlich hat sich nichts geändert, so dass Du nicht verunsichert sein brauchst.

  10. Heikoderanwalt

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    in Deutschland verlieren Menschen Ihre Wohnungen und sterben auch ohne Flut! Die Menschenrechte von den Armen in Deutschland werden mit Füßen getreten. Die Leute werden auf die Straße geworfen und werden einfach sterben gelassen.

    Die Rentnerin Rosemarie Fliess nach einer Zwangsräumung wurde aus Ihrer Wohnung direkt in den Tod geworfen und ist gestorben. Und sie war und ist kein Einzelfall.

    Dabei darf kein Mensch in Deutschland auf die Strasse geworfen werden, auch wenn jemand seine Miete nicht mehr bezahlen kann. Das besagt der Artikel 13 (Die Wohnung ist unverletzlich…) in Verbindung mit Artikel 1 (Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt…) im Grundgesetz!

    Es gibt keinen Höchstpreis für Mieten in Deutschland und dies nutzen viele Vermieter für ihre gewinnmaximierenden Zwecke gnadenlos aus; auch wenn dadurch jemand sein Leben verliert. Und die Jobcenter helfen dabei, die Menschen auf die Straße zu werfen, indem sie die Kosten-Senkungs-Aufforderungen für die Unterkunft an die Mieter versenden, die komplette Miete nicht übernehmen, die Zwangsräumungen zulassen und das Menschenleben anhand von WAV Werten messen.

    Was machen die Armen, Rentner, Arbeitslosen, Geringverdiener, wenn die Mieten steigen und/oder wenn die Jobcenter die Gesamtmiete nicht übernehmen? Sie sparen am Essen und Ihrer Gesundheit, sammeln Flaschen auf der Straße, sie betteln… Sie führen kein normales Leben mehr; es geht ums Überleben! Sie können gerne die Sozialstationen befragen. Sie werden Ihnen von Tausenden Menschen pro Jahr berichten, die regelmäßig zu Ihnen in Trennen kommen, weil sie Ihre Miete nicht mehr leisten können oder durch die unkompetente und menschenfeindliche Haltung von Jobcenter zur Verzweiflung getrieben werden.

    Nun stellt sich die Frage, was ist ein Menschenleben noch wert? Das was die MWV- Werte besagen. Also, wenn die Wohnung teuerer ist als WAV Wert (ca. 405 €/Person), dann ist auch für Jobcenter das Leben eines Menschen zu teuer und die Miete wird nicht / nicht vollständig durch das jeweilige Jobcenter übernommen!

    Die Jobcenter nehmen Ihre Pflichten falsch wahr. Sie müssen die Vorschriften der Bundesregierung, die auf dem Grundgesetz basieren, im Auftrag der Bundesregierung befolgen. Stattdessen findet oft eine Schikane von Arbeitslosen, die oft diskriminierend behandelt und unterdrückt werden. Jobcenter verwenden / verschwenden Steuergelder um Gerichtsverfahren gegen Hilfebedürftige zu führen. Dabei gewinnen die Jobcenter weniger als 50% der Gerichtsverfahren. Darauf wurde bereits die Bundesjustiz mit einem klagenreduzierenden Projekt aufmerksam.

    Da die Nachfrage nach Wohnungen in Berlin größer ist als das Angebot, will der Senat (lt. Herrn Gothe, Staatssekretär für Städteentwicklung und Umwelt sowie entsprechend den aktuellen Wahlprogrammen einiger Großparteien) sich fast ausschließlich nur um Neubau kümmern. Schließlich werden die Wohnungen meist von den Reichen gekauft und durch Weitervermietung zum Profit gemacht. Die Armen werden durch Jobcenter gedrängt, aus der Stadt wegzuziehen, damit auch Ihre Wohnungen an die Reichen verkauft oder vermietet werden; während die Regulierungsbehörde (Senat) schläft oder wegguckt. Etwas stimmt nicht mit der Sozialen Marktwirtschaft. Ist das nur eine Bezeichnung ohne Bedeutung geworden?

    Viele Menschen sind sich einig, es findet eine soziale Verdrängung statt. Die Armen (Arbeitslosen, Rentner, Wenigverdiener, alleinstehende Frauen) müssen Ihre Wohnungen verlassen und in die andere Stadteile (Dörfer am Rande der Stadt) wegziehen oder zu Obdachlosen werden. Die Klassenteilung der Gesellschaft hat sich längst etabliert und die Schere zwischen Reich und Arm wird immer größer. Deutschland ist aber ein Land der sozialen Marktwirtschaft, dass heißt, dass die Existenz (= das Überleben) der Hilfebedürftigen mitfinanziert werden muss.

    Die Reichen (einige Topmanager) dürfen sogar die Steuern hinterziehen und nicht vorbestraft davon kommen, indem Sie eine hohe Geldstrafe zahlen; die Armen dagegen – bei dem selben oder einem ähnlichen Gesetzesverstoß – müssen ins Gefängnis. Im Artikel 3 des Grundgesetzes steht aber, dass alle Menschen in Deutschland vor dem Gesetz gleich sind.

    Es gibt drei Möglichkeiten, wie das Problem der „Gesellschaftsdegradierung“ gelöst werden könnte:

    1. Einführung eines Höchstpreises für Wohnungen, die vermietet werden oder des Höchstmietpreises für die Sozialbedürftigen und/oder

    2. Vollständige Übernahme der Mietkosten für Sozialbedürftige, z.B. durch entsprechende Erhöhung der WAV Werte oder

    3. Die Hilfebedürftigen könnten eine Bürgerinitiative ins Leben rufen, um die Anpassung von SGB 2 per Volksbegehren oder Volksentscheid zu verlangen, analog (http://berliner-energietisch.net/).

    Etwas stimmt nicht mit der sozialen Marktwirtschaft. Ist die „Soziale“ Marktwirtschaft nur ein Wort ohne Bedeutung geworden?

  11. Heikoderanwalt

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    die Menschenrechte von den Armen in Deutschland werden mit Füßen getreten.

    Die Mitarbeiter der Jobcenter haben die Deutsche Geschichte wohl vergessen. Es weiß niemand von deren Sachbearbeiten, warum und wie das Grundgesetz in Deutschland eingeführt wurde. Die Sachbearbeiter denken, dass allein das Sozialgesetzbuch 2 für die Arbeitslosen gilt. Als hätten Arbeitslose keine Menschenrechte (Grundrechte). Sie verstehen auch nicht, dass alle Gesetze in Deutschland auf dem Grundgesetz basieren und dass Artikel I im Grundgesetz für alle Gesetze in Deutschland die uneingeschränkt bindende Leitlinie ist.

    Bei Jobcenter geht es nur darum, Geld einzusparen, – indem man den Arbeitslosen das Geld kürzt. Wie Sie (nicht alle) wissen gibt es Sanktionslisten bei Jobcenter. Diese Listen beschreiben, wie viel Geld und wie ein Sachbearbeiter durch Sanktionen (Strafen) den Arbeitslosen weggenommen und eingebracht hat. Über diese Listen führt die Karriereleiter bei Jobcenter nach oben.

    Weiß jemand eigentlich, was die „Soziale Marktwirtschaft“ bedeutet. (nicht nur dass das der Hauptunterschied zwischen Menschen und Tieren ist). Bei Jobcenter weiß das wohl keiner.
    Bei Jobcenter wird ein Menschenleben (eines Hilfebedürftigen) anhand von Sanktionslisten (Hartz IV-Sanktionen: 529.371 betroffene erwerbsfähige Leistungsberechtigte in 2012) und WAV Werten gemessen.

    Ist die „Soziale“ Marktwirtschaft nur ein Wort ohne jegliche Bedeutung für Deutschland geworden?

  12. Raphael Schikora

    Die ganzen Zeitarbeitsunternehmen ( Legalisierte Prostitution ,Gesetzlich Subventioniert ohne Strapse und Kondom ) gehören per Gesetz Verboten .

  13. Ralph Marx

    Sehr geehrte Frau Hannemann,

    Danke, ich ziehe meinen Hut vor Ihnen. Ich frage mich immer

    wo sind die ganzen Gelder hin ?
    wo ist der gegenseitige Respekt geblieben, ob Jung od. Alt ?
    wieso werden diese Machenschaften von unseren Wählern noch geduldet ?
    wann werden unsere Politiker, diese Statisten aus dem “ Hänneschen Theater “
    endlich mal wach?
    Der Karren ist schon lange im Dreck und sollte mal jemand eine halbwegs vernünftige/n
    Idee,Vorschlag haben, so wird er geblockt.
    Für unsere Generation ist der Zug schon abgefahren, aber wie wird es unseren Nachkommen
    ergehen?
    Frau Hannemann, alles Gute und das auch für die Betroffenen

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