Aktuell Demokratie Transparenz

Neues vom Transparenzgesetz

Gerade einmal zehn Monate ist es her, dass sich Mitglieder von Mehr Demokratie, Transparency International, dem Chaos Computer Club und der Piratenpartei Hamburg erstmals trafen, um darüber zu beraten, wie man unsere Stadt transparenter gestalten könnte. In dieser Zeit ist viel geschehen. Die Initiative „Transparenz schafft Vertrauen“ wurde gegründet, es wurde unter Zeitdruck ein Gesetzentwurf ausgearbeitet, weitere Bündnispartner konnten gewonnen werden, eine erfolgreiche Volksinitiative mit über 15.000 gesammelten Unterschriften wurde eingereicht, und nun gehen wir hart auf die zweite Stufe der Hamburgischen Volksgesetzgebung, das Volksbegehren, zu. Da das Anliegen der Initiative wirkt, als wäre es direkt unserem Parteiprogramm entnommen, genießt das Projekt seither Priorität bei uns im Landesverband.

Mittlerweile hat sich nicht nur der Rechtsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Gesetzentwurf beschäftigt, auch die Initiative hat weiter daran gearbeitet und den Gesetzentwurf im Hinblick auf einzelne verfassungsrechtliche Bedenken von Seiten der Abgeordneten, Experten und des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten angepasst. Mit diesem überarbeiteten Entwurf wurde am 15. April das Volksbegehren eingereicht. Vom 27. August bis zum 17. September werden wir uns dafür auf die Straßen und Plätze unserer Stadt begeben müssen, um die Unterschriften von 5% der wahlberechtigten Hamburgerinnen und Hamburger zu sammeln, also in etwa 65.000! Wir sind uns einer entsprechenden Unterstützung der Bürger dieser Stadt dabei durchaus sicher, benötigen aber, um diese Zustimmung per Unterschrift auch sichtbar zu machen, natürlich massive personelle Hilfe von innerhalb und außerhalb Hamburgs. Wir werden im gesamten Stadtgebiet sammeln, und das schaffen wir nicht allein.

Um dem Volksbegehren bereits im Voraus eine höhere Bekanntheit zu verschaffen, weitere Helfer und Unterstützer zu werben und die Bevölkerung auf das anstehende Begehren vorzubereiten, führen die Bündnispartner eine Veranstaltungsreihe durch, die den ganzen Sommer über stattfindet. Den Auftakt organisierte der Verein Mehr Demokratie in der vergangenen Woche mit einer Podiumsdiskussion, an der die Obleute aller Fraktionen im Rechtsausschuss teilnahmen. Mit ca. 60 Interessenten war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, als die Diskutanten die Haltung ihrer jeweiligen Fraktionen und Parteien zu unserem Anliegen erläuterten. Nicht überraschend war, dass die Abgeordneten der Grünen und Linken unseren Gesetzesentwurf uneingeschränkt unterstützten, schließlich handelt es sich bei diesen Parteien um unsere Bündnispartner. Aber auch die Vertreter von CDU, SPD und FDP äußerten durchaus Zustimmung zumindest zum grundsätzlichen Anliegen, ohne sich aber der Initiative anschließen zu wollen.

Zum Teil liegt das sicherlich daran, dass die Bedeutung des Themas Transparenz über alle Parteigrenzen hinweg erkannt wurde. Keine Partei will und kann es sich leisten, sich angesichts der Erfolge der Piratenpartei offen gegen Transparenz zu positionieren, und sicherlich existiert in Teilen jeder relevanten Partei auch eine gewisse Sympathie für unseren Gesetzesentwurf. Die Gründe, wegen derer die einzelnen Parteien sich bisher nicht zu einer offenen Unterstützung unserer Initiative entschließen konnten, entbehrten allerdings teilweise nicht einer gewissen Komik.

Finn-Ole Ritter von der FDP erklärte beispielsweise, der Inhalt unseres Gesetzesentwurfs sei eigentlich vernünftig, aber seine Fraktion würde lieber einzelne Novellierungsvorschläge in die Bürgerschaft einbringen, um das bestehende Informationsfreiheitsgesetz zu verbessern. Dieser Weg verspräche letztendlich effektiver und schneller zu sein, als über eine Volksinitiative alles auf einmal zu fordern. Für eine Oppositionspartei eine doch eher seltsame Begründung. Im Gegensatz zu CDU und SPD beteiligt sich die FDP allerdings seit längerer Zeit mit „beobachtendem Status“ an den Treffen der Initiative. Das lässt vermuten, dass auch in Hamburg hinter den Kulissen eine Auseinandersetzung stattfindet, nämlich zwischen dem „Lindner-Flügel“, der die FDP wieder für liberale Bürgerrechtsthemen öffnen möchte, und dem „Brüderle-Flügel“, der sich weiterhin auf reine Wirtschaftsklientelpolitik konzentrieren will. Auf das Ergebnis dieses innerparteilichen Konfliktes dürfen wir gespannt sein.

Auch Ralf Niedmers von der CDU, der seine Teilnahme erst kurzfristig zugesagt hatte, fand unsere Ideen allgemein „sexy“. Die Gründe, die er benannte um ihnen doch nicht zu 100% zustimmen zu können, wirkten allerdings nicht recht überzeugend, vor allem, weil der Eindruck entstand, Herr Niedmers hätte sich mit dem aktuellen Gesetzentwurf noch nicht im Detail beschäftigt, denn einige seiner angeführten handwerklichen Kritikpunkte waren genau die, die wir in die Überarbeitung einbezogen hatten.

Mangelhafte Vorbereitung kann man dem Abgesandten der Regierungspartei SPD, Urs Tabbert, hingegen nicht vorwerfen. Seine Ausführungen wirkten kompetent, und auch seine geäußerte persönliche Sympathie für das Transparenzgesetz wirkte durchaus glaubhaft. Wäre er ein repräsentativer Vertreter seiner Fraktion, könnte man sich durchaus vorstellen, dass unser Entwurf übernommen und das Volksbegehren überflüssig würde. Doch das ist er nicht, und gerade die Hamburger SPD ist eine Volkspartei, in der der Amtsschimmel in diversen Ecken fröhlich wiehert. Und so gibt es anscheinend weitgehende Vorbehalte wegen angeblich exorbitanter Kosten (dieses Argument zieht immer), und auch diverse Varianten von „das war noch nie so“ und „wo kommen wir denn da hin?“ waren zu vernehmen.

Den Bundestagswahlkampf gegen uns mit dem Thema „Transparenzgesetz“ zu führen, möchte man in der SPD  sicherlich vermeiden. Ein weiterer anstehender Volksentscheid, bei dem man als städtische Regierungspartei schlecht aussieht, dürfte bei der Mehrheit der Genossen nicht unbedingt erwünscht sein. Und so bemüht man sich nach Kräften, der Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem man ganz plötzlich die Umsetzung einiger unkritischer Teile unseres Gesamtvorhabens ankündigt. (Natürlich ist man ganz von selbst auf diese Idee gekommen, und mit unserer Initiative hat das überhaupt nichts zu tun.)

Dennoch sieht es nicht danach aus, als würden Initiative und SPD auf einen gemeinsamen Nenner kommen, sodass das Bündnis und damit auch wir uns auf das Volksbegehren vorbereiten. Um dies erfolgversprechend durchführen zu können, benötigen wir Finanzmittel für Werbung und Infrastruktur (Büro, Camp für auswärtige Helfer, etc.). Wir von der Piratenpartei Hamburg haben zusätzlich zu den Mitteln aus dem regulären Etat einen Spendenaufruf über Pledgebank gestartet. Unter anderem wollen wir mit Hilfe der so eingenommenen Gelder unabhängig von der Initiative eigenes Werbematerial zum Thema zu erstellen. Also beteiligt euch bitte mit 15 Euro (oder mehr) unter http://www.de.pledgebank.com/transparenz-pp, damit wir unsere Pläne umsetzen und das Volksbegehren zum Erfolg führen können.

Die nächste Veranstaltung findet übrigens am kommendem Mittwoch, dem 30.5. um 19:30 Uhr im Mittelweg 11–12 statt. Gerd Leilich von Transparency International spricht dort mit der freien Journalistin Janina Kalle zum Thema „Transparenzgesetz – neue Chancen für den Journalismus“.

Ein hervorragendes Beispiel, warum Hamburg wirklich ganz dringend ein Transparenzgesetz braucht, bieten derzeit mal wieder die skandalösen Vorgänge um den Bau der Elbphilharmonie. Anscheinend wurden nachträglich Gutachten erstellt, um vorherige Beschlüsse zu rechtfertigen. Mit dem Transparenzgesetz wäre das nicht passiert, denn Gutachten müssten dann sofort veröffentlicht werden.

Links

* Spenden-Pledge
* Initiative „Transparenz schafft Vertrauen“
* Piratenpartei Hamburg unterstützt Initiative „Transparenz schafft Vertrauen“
* Piratenpartei Hamburg: Transparenzgesetz: Eine Initiative verschafft sich Gehör
* Gesetzentwurf für ein Transparenzgesetz

1 Kommentar zu “Neues vom Transparenzgesetz

  1. Pingback: Informationsfreiheitsgesetz – proaktives Veröffentlichen in Hamburg | Michael´s Blog

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert