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Besser als was? – Die neue Frauenoffensive der Grünen aus der Sicht eines weiblichen Piraten

Die GRÜNEN gehen in die Offensive mit ihrer Kampagne „Fifty-Fifty – Besser Du als irgendein Kerl“, und das Ziel ist ehrgeizig: Angestrebt werden 50% Frauen in der Partei. Für die Piratenpartei mit ihrem wohl relativ geringem Frauenanteil ist das Grund genug, mich mit dieser Aktion und der damit verbundenen Forderung auseinanderzusetzen.

Es ist eine Tatsache, dass der Frauenanteil in allen Parteien deutlich geringer als 50% ist, unabhängig davon, wie sie Frauen ermutigen und fördern. Die PIRATEN erfassen das staatlich festgehaltene biologische Geschlecht ihrer Mitglieder nicht, wohl wissend, dass es mehr Geschlechter gibt als nur die zwei, die die bürgerliche Gesellschaft für ihre Mitglieder vorsieht. Unfundierte, inoffizielle Schätzungen gehen von einem Frauenanteil von ca. 15 – 20 Prozent bei den PIRATEN aus, und auch wir wünschen uns mehr weibliche Mitglieder.

Da können wir uns durchaus fragen, ob wir den Slogan Besser Du als irgendein Kerl unterschreiben würden. Nein, würden wir nicht. Wir glauben an Kompetenz und würden uns dieses „Du“ und diesen „Kerl“ erst mal genauer anschauen wollen, bevor wir unsere Wahl treffen. Außerdem ist der Sprachgebrauch verbesserungswürdig. Er impliziert nämlich, dass das (natürlich weibliche) „Du“ in jedem Fall besser sein muss als der konkurrierende Mann, dem das Attribut „irgendein“ bescheinigt, eine Art Dahergelaufener zu sein, während „Kerl“ eher an Typen im Holzfällerhemd mit Neandertal-Appeal erinnert. Eine Gruppe zugunsten einer anderen pauschal abzuwerten ist keine auf Dauer funktionierende Methode, um zum gewünschten Ziel zu kommen.

Zudem erinnert die Formulierung in ihrer Radikalität fatal an die Sechziger und Siebziger. Die Leistung der Feministinnen dieser Epoche ist zwar unumstritten, und Frauen wissen, was sie ihr zu verdanken haben, aber moderne Frauen möchten ihre Dankbarkeit lieber ausleben ohne sich Forderungen zu eigen zu machen, die sie als nicht mehr zeitgemäß empfinden. Zudem ist kaum eine noch der Meinung, dass Frau-sein sie per se zu irgendetwas besonders qualifiziert, ebenso wie Mann-sein an sich auch nicht.

Heute leben wir in einem Land, in dem es lebensfernen Politikerinnen tatsächlich gelingt, eine freiwillige Alibi-Frauenqote für Spitzenjobs in Spitzenunternehmen (aber nur, wenn’s nicht zu sehr stört …) und eine „Herdprämie“ zu etablieren, deren Ergebnis zu nichts anderem taugt, als Frauen im Haus zu halten und den Kita-Notstand wenigstens ein bisschen zu bemänteln. Als wäre das nicht genug, werden die meisten prekären Tätigkeiten von Frauen ausgeübt. Diese Fehlentwicklungen, und dazu gehört auch, dass die Bevölkerung anscheindend bereit ist, dies hinzunehmen, sind so gravierend, dass ein altbacken präsentierter Wunsch nach einer 50-Prozent-Quote bei den Mitgliedern einer Partei kaum geeignet ist, diesen politischen Irrweg zu korrigieren.

Der Lockruf an die Frau, sich endlich zu beteiligen und den Teil der Welt einzufordern, der ihr sowieso schon längst gehören sollte, wird weitgehend ungehört verhallen, denn das Angebot besteht längst und wurde auch verstanden, was den neuesten Weckruf an die bundesdeutsche Weiblichkeit überflüssig macht. Angebote kann man jedoch ablehnen, was ein größerer Teil der Frauen tut, als dies bei Männern der Fall ist. Also ist nicht das Fordern gefragt, sondern das Forschen nach den Ursachen.

Eine gute, zukunftsfähige Politik ist geschlechtsneutral und wird immer die Kompetenz in den Mittelpunkt stellen, ohne Ansicht der Person, die sie vertritt, denn Frauen sind keine besonders schutzwürdige Minderheit, die gesondert angesprochen werden muss.

4 Kommentare zu “Besser als was? – Die neue Frauenoffensive der Grünen aus der Sicht eines weiblichen Piraten

  1. Die Kritik an der Kampagne teile ich. Ebenso die Forderung nach Ursachenforschung. Das hier …

    „Eine gute, zukunftsfähige Politik ist geschlechtsneutral und wird immer die Kompetenz in den Mittelpunkt stellen, ohne Ansicht der Person, die sie vertritt, […]“

    … ist allerdings genau so ein Müll, diesmal halt in die passende „Piratenflagge“ gehüllt wie die bekrittelte Aktion, die im grünen Mäntelchen daherkommt.

    Qualitativ schenkt sich das mal gar nix … schade! Schön wäre nämlich gewesen, wenn man nicht nur eloquent den Finger auf die Wunde gelegt, sondern tatsächlich auch mal ein Pflaster, statt toller Worthülsen, an der Hand gehabt hätte.

    • Lars Ellerhorst

      Sosehr ich das Ziel und die Absicht der Kampagne auch zu schätzen weiss, die Mittel jedoch kann ich nicht rechtfertigen. Wir brauchen kein Aufflammen des Geschlechterkampfs, ein wir gegen ihr zwischen XX und XY Chromosomen, wie es in den markigen Worten anklingt. Notwendiger ist eher die Einstellung in den Köpfen, das Verharren in alten und neuen Schubladen in der Geschlechterrolle, endlich aufzubrechen. Die alte Rollenverteilung des Mannes als Ernährer und die der Frau als Mutter hält der Realität nicht mehr stand das hat inzwischen sogar die CDU/CSU erkannt. Diese Entwicklung wird das Thema Gleichberechtigung und Chancengleichheit nicht in wenigen Jahren, aber doch innerhalb einer Generation weiter voranbringen, als das gesetzliche Maßnahmen der letzten 30 Jahre vermocht hätten. Meiner Überzeugung nach wird Gleichberechtigung eher dadurch erreicht, dass mehr Männer in sogenannten Frauenberufen arbeiten und Frauen mehr in traditionelle Männerberufe wechseln. Für beide Richtungen sollte die Entwicklung gefördert werden, aber noch wichtiger ist eine gerechte Bezahlung dieser Tätigkeiten. Wenn ein Altenpfleger genauso selbstverständlich wie eine Schreinerin ist, wird sich auch in den Chefetagen ein Umdenken breitmachen. Aber dazu muss die Schreinerin wie der Altenpfleger nicht auf das zusätzliche Einkommen eines „Ernährers“ angewiesen sein. Und dieses Problem hat gerade auch die so genannte Agenda 2010 verschärft. Gleichberechtigung entsteht nicht nur aus der Gleichheit der Qualifikation, sondern auch der Gleichheit des Einkommens. Und an dieser Stelle ist noch viel zu tun.

      • Gleichberechtigung und Frauenquote

        Ich glaube, Anne Alter irrt sich leider, wenn sie sagt „zudem ist kaum eine noch der Meinung, dass Frau-sein sie per se zu irgendetwas besonders qualifiziert, ebenso wie Mann-sein an sich auch nicht.“
        Es gibt eine stetig wachsenden Frauenbewegung, die sehr davon überzeugt ist, auf Grund ihres Frauseins für Führungsjobs und soziale Berufe prädestiniert zu sein. Sie glauben, dass sie entweder wegen des Geschlechts (eine Fraktion) oder durch spezifische Sozialistation (andere Fraktion), verständnisvoller, pragmatischer, kommunikativer, konfliktfähiger, sozialer etc… als Männer sind. Dies verstehen sie als ihr „Plus“, mit dem sie sich offensiv bei den kriselnden Männereliten andienen.
        Selbstverständlich hat die Jahrhunderte lange christliche Rollenzuweisung und die mit ihr einhergehenden Degradierung von Frauen, die nahtlos von der frühbürgerliche Gesellschaft übernommen wurde, zu unterschiedlichen ansozialisierten Verhaltensweisen und „Überlebensstrategien“ geführt: der Mann in Beruf und Gesellschaft, die Frau zu Hause und im Feldlazarett. Diese Rollenzuweisung hat sich im kulturell konservativen Deutschland, insbesondere der ehemaligen BRD – und trotz Frauenbewegung – viel stärker gehalten als es häufig den Anschein hat. Eine stattliche Anzahl Männer prügeln immer noch gerne ihre Frauen, wie Terre des Femmes schreibt: „In Deutschland ist oder war schon jede vierte Frau Opfer von häuslicher Gewalt. Ihr eigenes Zuhause ist der gefährlichste Ort für eine Frau.
        In Punkto Entlohnung von Frauen oder Frauen in Führungspositionen dümpelt Deutschland im unteren Rankingbereich Europas und die rigide Trennung in Männer- und Frauenberufe ist nur angeknackst aber nicht wirklich durchbrochen.
        Bei dieser gesellschaftlichen Trägheit verwundert es nicht, wenn sich ein Teil der Frauen in eine Ideologie „neuer Weiblichkeit“ flüchtet und sich darin als die „bessere Hälfte der Welt“ fühlt. Aus der Not eine Tugend machend, begnügen sie sich mit halben Stellen oder verzichten ganz auf Berufstätigkeit, propagieren eine neue Mütterlichkeit und suchen nicht selten Halt in Mystik, Esoterik und exotischer Religiosität.

        Sofern Frauen berufstätig waren und sind, hat sich immer gezeigt, dass sie, trotz Sozialisationsunterschieden und unabhängig von der Position im Unternehmen, sich schlicht und ergreifend genauso gemäß der betrieblichen Sachzwänge und der Maxime der Ertragssteigerung verhalten und sie reproduzieren, wie ihre männlichen Kollegen auch. Nur dass sie in den meisten Betrieben zusätzlich noch den Kaffee kochen und das Geschirr abspülen.

        Muss jetzt die Kurve zur Frauenquote bekommen
        Ich bin im wesentlichen aus drei Gründen entschieden für eine gesetzliche Frauenquote:

        Erstens: Frauen werden aus bestimmten Berufen und Führungspositionen herausgehalten, einfach weil sie Frauen sind. Das nennt man Diskriminierung. Es geht überhaupt nicht um Qualifikation. Männer kommen auch nicht auf Grund besonderer Qualifikationen in Führungspositionen, sondern zuallererst weil sie Männer sind. Sie bilden ritualisierte Gemeinschaften, oft sexistisch konnotiert und von einem Korpsgeist geprägt, der keine weibliche Störung und Konkurrenz duldet. Da helfen keine Apelle und Selbstverpflichtungen. Nebenbei bemerkt: Selbstverpflichtungen werden immer dann eingeführt, wenn man das vermeiden möchte, wozu man sie einrichtet.
        Frauen sollen aber die gleichen Möglichkeiten und Bedingungen wie Männer bekommen, unabhängig von ihrer Qualifikation. Nur das wäre Gleichberechtigung! Sie sollen nicht ständig beweisen müssen, dass sie qualifiziert oder noch qualifizierter als Männer sind! Qualifikation kann man erst in den Tätigkeiten selbst erlangen und dazu benötigt man einen Zugang.

        Zweitens: Nur wenn Frauen Zugang zu allen Berufen und Tätigkeiten erhalten, haben sie eine echte Wahl zwischen Beruf, Teilzeit und/oder familiäre Betreuung. Dann erst werden auch Männer diese Wahl haben.

        Drittens: Erst wenn Frauen in der gesamten Arbeitswelt vertreten sind, werden sie auch überall mehr Chancen auf gleiches Einkommen bekommen. Hätten sie die voller Berufswahl und echte Aufstiegschancen, würde es sicher zu einem Einbruch in die „Männerberufe“ und Eliten geben und Männer müssten zunehmend in „Frauenberufe“ abwandern und auf das Chefchen verzichten. Und wo Männer hinkommen, werden die Einkommen steigen.

        Und viertens: Frauen haben so mehr Chancen, nicht in den Sog der Ideologien der Anpassung wie „neue Weiblichkeit/Mütterlichkeit“, Esoterik, Mystik und Religion gezogen zu werden.

        Das alles wird die Arbeitswelt mit ihren Hierarchien, Zwängen und häufigen Unzumutbarkeiten nicht verändern, da muss viel mehr geschehen. Aber Gleichberechtigung ist nur mit Quotenzwang zu haben und ich bin entschieden gegen die Fortschreibung der Diskriminierung von Frauen.

        Andreas

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